Für immer
»Für immer« ist das bislang komplexeste Projekt der fz film. In dem 96 Minuten langen Spielfilm verbinden sich nicht nur die künstlerischen Medien Musik, Oper und Film, sondern der Film selbst changiert ständig zwischen dokumentarischen und fiktionalen Momenten. Das betrifft sowohl die Geschichte (die Oper, die im Zentrum der Geschichte steht, ist 2008 wirklich aufgeführt worden) wie auch die Ästhetik der Kamera, die in weiten Strecken dokumentarisch geführt ist.
Handlung
Milan, ein Fotografiestudent, und Juli, eine junge Sängerin, verlieben sich ineinander. Beide sind ehrgeizig in ihrer Kunst, er will künstlerisch anspruchsvolle Fotos machen, sie interessante Partien auf der Opernbühne singen. Milan träumt davon, eine ganz besondere Kamera zu besitzen. Zufällig wird er Zeuge des Diebstahls dieser teuren Kamera. Er macht sich auf die Suche nach den Tätern, überwältigt sie und gelangt so unrechtmäßigerweise in den Besitz des begehrten Fotoapparates. Juli versucht, durch die Teilnahme an einem Vorsingen für ein Festspiel die weibliche Hauptrolle in Glucks »Orfeo ed Euridice« zu bekommen. Sie setzt sich durch und erhält den Job.
Während die Beziehung der Beiden langsam wächst, verweben sich ihre Leidenschaft füreinander und ihre jeweilige Leidenschaft für die eigene Kunst: Milan macht immer bessere Fotos von Juli und merkt dabei nicht, wie er sie fast nur noch durch die Kamera wahrzunehmen in der Lage ist. Juli spürt das, ist wütend und verzweifelt darüber. Sie bringt diese Wut in die Gestaltung ihrer Rolle ein, wird damit in einer bisher nicht möglichen Weise authentisch in ihrer Darstellung und begeistert das Publikum.
In der Oper von Gluck vermag es Orfeo, nachdem er Euridice aus der Unterwelt befreit hat, nicht mehr, das Vertrauen seiner Geliebten zu gewinnen. Die Entfremdung ist unüberwindlich, und er verliert sie ein zweites Mal. Auch Milan und Juli finden durch die Sehnsucht füreinander zusammen, erleben einen kurzen Moment des Glücks. Doch die Harmonie trügt, das Vertrauen bereits im Kern zersetzt. Es folgt die unvermeidliche Katastrophe, Juli verliert bei einem von ihm verschuldeten Unfall ihr Leben.
Milan ist als Mensch zerstört, er verwindet den Tod der Freundin nicht. Doch als Künstler triumphiert er: Seine letzten Bilder von Juli sind ein künstlerisches Ereignis.
Idee und Stil des Films
In der Geschichte der zwei Protagonisten geht es um künstlerischen Ehrgeiz, die intensive Suche nach dem richtigen künstlerischen Ausdruck, die Unfähigkeit, ein Stück Selbständigkeit aufzugeben – und die Schwierigkeit, dies alles mit einer gelebten Zuneigung in Einklang zu bringen. Den Hintergrund dafür bietet die antike Geschichte von Orpheus & Euridice. In diesem Mythos, der ebenfalls vom Widerspruch von Kunst und Zuneigung erzählt, gelingt ein versöhnender Ausgleich am Ende nicht. Orpheus bleibt als trauernder, aber hochkreativer Mensch allein zurück.
Milans Welt ist die des festgehaltenen Moments, der stillstehenden Zeit, ausgedrückt durch die Fotografie. Julis Welt ist die Musik, die sich im Gegenteil immer nur mit und in der Zeit entfaltet. Diese Medien, das Foto und die Oper, bestimmen den Film nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell. Seine Bilder sind immer wieder als »Stills« integriert, ihre tatsächlich zur Aufführung gebrachte Musik wird z.T. auch zur Filmmusik.
Wesentliches Element der Geschichte ist die Teilnahme der Protagonistin an einer Opernproduktion, die im Jahre 2008 in dem kleinen Festspielort Wernigerode (Harz) wirklich stattfand. Die Mitarbeit der Darstellerin/Sängerin an dieser Aufführung war eine Voraussetzung des Films. Der junge Fotograf dagegen ist ein Schauspieler. Seine Fotos sind – produktionstechnisch gesehen – von zwei professionellen Fotografen gemacht.
Der Film sucht eine Balance zwischen verschiedenen filmischen Genres. Die Grundlinien der Geschichte sind fiktional, insbesondere der Großteil der Szenen, bei denen Milan im Zentrum steht. Die Geschichte führt aber in einen realen Teil, nämlich zu den Proben der Oper im Sommer 2008. Hier mischen sich dokumentarisch gedrehte und fiktionale Elemente. Aus der aufgeführten Oper und einer vorher produzierten Studio-Aufnahme (Bild und Ton) sind Szenen im Film integriert.
Gleichzeitig – dies betrifft den Film erst in zweiter Linie – wurden Filmaufnahmen als Projektionen in der Operninszenierung integriert. Dadurch ergibt sich in einigen Momenten der Effekt »Film in der Oper im Film«. Durch die strukturelle Anlage des Films kommt es zu einer paradoxen Verschränkung: Das wirkliche Leben wird vor allem mit Mitteln des fiktionalen Kinos, die Herstellung und Aufführung des Kunstwerks Oper vor allem mit Mitteln des dokumentarischen Films dargestellt.
Anmerkung zur Musik und der aufgeführten Oper
Bei der Oper im Zentrum des Films handelt es sich um Glucks »Orfeo ed Euridice«, einer sogenannten »Reformoper«. Gluck kam aus der Tradition der Barockoper, bei der sich ein dramaturgisches Schema bis zur totalen Unnatürlichkeit verfestigt hatte: Der Ablauf bestand beinahe ausnahmslos aus der Reihenfolge Arie (mit Orchester) – Rezitativ (begleitet durch Cembalo) – Arie – Rezitativ usw. In den Arien wurde die jeweilige Emotion des Protagonisten ausgedrückt, im Rezitativ die Handlung vorangetrieben. Gluck versuchte dieses Schema aufzubrechen und schuf mit »Orfeo ed Euridice« ein epochales, in seiner Zeit bereits extrem erfolgreiches Stück. Es gelang ihm, die einzelnen musikalischen Elemente natürlicher ineinander fließen zu lassen und so die bisherige Form zu erneuern.
Darüber hinaus ist »Orfeo ed Euridice« von einer psychologischen Tiefenschärfe gekennzeichnet, die allen vorher entstandenen Orpheus-Vertonungen fehlt. Euridice stirbt nicht allein deshalb, weil Orpheus vor Sehnsucht vergeht und das Gebot, sie nicht anschauen zu dürfen, nicht einzuhalten vermag, sondern Euridice erzwingt diesen todbringenden Blick geradezu. Sie ist nicht bereit, die Sprach– und Kommunikationsverweigerung ihres Geliebten zu akzeptieren, droht damit, ins Schattenreich zurückzukehren: »Più cara è a me la morte, che di vivere con te! – Lieber ist mir der Tod als mit Dir zu leben«
Die zum Teil sehr dramatische Musik der Oper wird den Film begleiten, schließlich finden Musik und Bild im Höhepunkt der Opernaufführung zusammen. Dennoch ist dies kein reiner Opernfilm. Im Vordergrund steht die heutige Geschichte, wenn auch die der Oper zugrunde liegende antike Legende von der Kraft der Musik im Dienste der Liebe den Hintergrund, die ständig präsente Folie bietet.
Der Film erlebte im Frühjahr 2011 seine erfolgreiche Kinopremiere und ist als DVD zum Preis von 20 € bei der fz film erhältlich. Anfragen bitte über »Kontakt«.
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